top of page

Ziadora Greenleaf: Geheimeagentin
 Theodore Silverfern

Jetzt kostenlos lesen mit Kindle Unlimited!   Oder...
Sonderangebot zur Veröffentlichung – Jetzt kaufen!
Nur 2,69 € für die zweisprachige Ausgabe oder 0,99 € für die deutschsprachige Version.

  • Instagram
  • Facebook
  • TikTok

Kapitel 1

Ziadora Greenleaf fragte sich, ob ihre Mutter wohl jemals in einem Luftschacht gesteckt hatte, um ein böses Wesen zu erledigen. Die Antwort kam Zia sofort in den Sinn: Ganz bestimmt!

​

„Das Büro ist den Flur runter, dann links“, flüsterte Sarah. Sie zeigte durch die Schlitze des Luftgitters auf eine große, schwarze Tür. „Los, schnell rein, bevor die Wachen zurückkommen!“

​

Sarah war die Kommandantin und schon elf Jahre alt – zwei Jahre älter als Zia. Zia konnte ihr Glück kaum fassen: Ihre allererste Mission – und sie durfte mit Sarah zusammenarbeiten! Seit fast drei Monaten waren sie ein Team. Heute war endlich der große Tag! Nur… gerade eben steckten sie wie Sardinen gequetscht im Luftschacht.

​

„Bereit?“ fragte Sarah.

​

Sie waren das beste Team überhaupt. Sarah war schlau und witzig. Zia war flink und gelenkig. Zusammen war keine Mission zu schwer. Und sie hatten zwei riesige, unglaubliche Geheimnisse.

​

„Aber sowas von!“ grinste Zia ihre beste Freundin an.

​

Das erste Geheimnis: Die beiden waren geheime Agentinnen. Spione! Und sie wollten gerade einen fiesen, gemeinen Troll schnappen, der sich als Chef der reichsten Bank in ganz Chicago ausgab. Trolle liebten Geld – und taten alles, um so viel wie möglich zu bekommen. Und dieser Troll – Yeego – war einer der Schlimmsten. Aber zuerst mussten sie aus dem engen Schacht raus.

 

„Taschen raus“, sagte Sarah.

​

Sarah zog ein kleines Beutelchen hervor, das aus schimmernden grünen Blättern gemacht war. Zia nahm ihre eigene Tasche vom Gürtel. Beide zogen etwas heraus, das wie Baumrinde aussah – und das war es auch. Aber nicht irgendeine Rinde, sondern Zinfandelrinde, die in magischen Wäldern wächst und ganz besondere Kräfte hat.

​

„Na los“, murmelte Zia und streckte die Zunge raus.

​

Sie hielten die Rinde über ihre Zungen und bissen gleichzeitig zu. Der bittere Geschmack schoss ihnen die Kehle hinunter. Zia fühlte sich plötzlich wie eine vibrierende Hummel. Und dann… schrumpfte sie – von normaler Mädchengröße zur Größe einer Erbse! Aber sie hatten nur ein paar Sekunden.

​

„Los, los, los!“ piepste Zia mit ihrer winzigen Stimme.

​

Sie rannten durch den Spalt unter dem Gitter hindurch. Der Metallschlitz war jetzt so riesig, als liefen sie unter einem Fußballtor hindurch. Im Flur blieben sie kurz stehen, um Luft zu holen. Zia wuschelte durch ihr Haar – kurz, violett und stachelig wie bei einem Igel. Da vibrierte es erneut in ihrem Körper – und schon war sie wieder ein ganz normales neunjähriges Mädchen.

​

„Fast wie Zauberei“, witzelte Sarah.

​

Zia zwinkerte ihr zu. Das war ihr zweites großes Geheimnis: Sie waren nicht nur Spione, sondern auch Mitglieder des Fae-Stamms. Manche nannten sie Feen – aber das mochte niemand von ihnen. Sie waren keine glitzernden Märchenwesen mit Zauberstäben. Ihre Magie kam von besonderen Pflanzen, die tief in geheimen Wäldern wachsen. Schon als Babys lernten die Fae, wie und wann man diese Pflanzen nutzen darf.

​

„Okay, Zia. Yeego ist da drin“, murmelte Sarah, als sie sich der schwarzen Tür am Ende des Flurs näherten. „Zeit, die Mission abzuschließen!“

​

Die Marraine hatte ihnen befohlen, Yeego zu finden und seinen Plan zu vereiteln. Zia wollte, dass ihre erste Mission ein voller Erfolg wurde. Sie wollte eine Heldin sein – so wie ihre Mutter. Und: Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie eine Freundin. Zia fühlte sich, als würde sie endlich irgendwo dazugehören.

​

„Du darfst ihn dir schnappen“, flüsterte Sarah vor der Tür. „Du hast es dir verdient.“

​

Sarah reichte Zia ein Paar Handschellen. Sie waren aus einer magischen Fae-Ranke gemacht – wenn sie die dem Troll anlegten, würden all seine Kräfte verschwinden. Zia riss die Tür auf und stürmte hinein. Sarah war direkt hinter ihr. Hinter dem Schreibtisch saß ein riesiger, breiter Mann.

​

„Hände hoch, Yeego!“ rief Zia und hielt die Handschellen in die Luft. „Du bist verhaftet!“

​

Aber Yeego hob die Hände nicht. Stattdessen lachte er. Vor Zias Augen blubberte sein Gesicht wie heiße Suppe. Die menschliche Haut schmolz davon – zum Vorschein kam ein warziges, ekelhaft grün-gelbes Trollgesicht. Hinter der Tür bewegte sich etwas. Zu spät.

​

„Zia, hilf mir!“ schrie Sarah.

​

Ein zweiter Troll hielt Sarah in seinen baumstammdicken Armen. Der gelbe Yeego starrte Zia an. Seine schleimigen, grünen Lippen schmatzten, als würde er gleichzeitig kauen und reden.

​

„Willkommen, meine kleinen Feenfreunde.“

​

Zia blieb fast die Luft weg. Yeego grinste hässlich.

​

„Habt ihr wirklich gedacht, ein paar Feenkinder könnten mich aufhalten – den großen Yeego?“

​

Gemütlich lehnte er sich im Stuhl zurück. Der Troll, der Sarah festhielt, lachte nur. Zia war wie erstarrt. Ihr ganzer Plan hatte auf Überraschung gesetzt – und nun? Ihr Kopf fühlte sich matschig an. Sie musste handeln! Zia griff nach ihrer Tasche – doch Sarah schüttelte den Kopf. Dann flüsterte sie mit ihrer leisesten Fae-Stimme – so leise, dass die Trolle sie nicht hören konnten:

​

„Ich komm nicht an meine Tasche ran. Wirf mir deine rüber. Vertrau mir – ich weiß, was zu tun ist.“

​

Zia erstarrte. Fae-Taschen waren heilig. Wenn sie gestohlen wurden, explodierten sie in einer Feuerkugel. Nur freiwillig durften sie weitergegeben werden – und selbst das war selten. Aber das hier war kein normaler Moment. Sarah nickte ihr ermutigend zu.

„Eins… zwei…“, zählte sie.

​

Plötzlich wand sich Sarah und befreite eine Hand. „Drei!“

​

Zia klinkte ihre Tasche ab und warf sie. Sarah fing sie perfekt auf. Sie grinste. Doch zu Zias Entsetzen grinste auch der Troll, der sie festhielt. Yeego lachte dröhnend.

​

„Sehr gut gemacht, Sarah“, sagte er. „Lass sie los, Grok.“

​

Der kleinere Troll ließ Sarah los. Zia stand da wie versteinert. Sarah ging zu Yeegos Schreibtisch. Zias Brust zog sich zusammen, als hätte sie keine Luft mehr. Und dann – zu ihrem Entsetzen – reichte Sarah dem riesigen Troll Zias wertvolle Tasche. Yeego griff zu – und nichts explodierte. Zia hatte ihre Fae-Magie freiwillig dem Feind gegeben!

​

„Sarah!“ keuchte Zia. Ihre Füße fühlten sich wie festgeklebt an. „Was… was machst du da?!“

​

Sarah grinste böse. Yeego blickte von Sarah zu Zia und lachte schaurig. Dann holte er einen Goldsack hervor – so groß wie Zias Kopf. Sarah drehte sich freudig im Kreis. Sie griff danach – doch Yeego zog ihn zurück.

​

„Du bekommst deine Belohnung“, sagte er langsam, „nachdem deine kleine Feenfreundin geschnappt ist.“

​

Sarah schmollte, dann drehte sie sich zu Zia. Ihre Augen waren scharf wie bei einem Wolf, der ein Kaninchen jagt.

​

„Kein Problem, Boss“, sagte sie. „Sie hat keine Magie mehr. Jetzt ist sie nur noch ein kleines, verängstigtes Mädchen.“

​

Aber genau das war falsch. Sarahs Worte lösten Zias Schock. Denn Zia hatte doch noch Magie – wortwörtlich im Ärmel! Ihre Mutter hatte ihr diesen Trick beigebracht. Danke, Mama, dachte Zia. Noch bevor jemand reagieren konnte, riss sie eine Naht in ihrem Ärmel auf. Sie zog einen silbernen Faden Wolkengras und ein winziges Stück Zinfandelrinde heraus. Yeego erstarrte. Doch Zia blickte an ihm vorbei – auf das leicht geöffnete Fenster hinter dem Schreibtisch. Von draußen hörte sie das Hupen der Autos auf Chicagos Straßen.

​

„Schnappt sie euch!“ brüllte Yeego.

​

Sarah sprang nach vorne. Doch Zia duckte sich unter ihren Armen hindurch und rannte zum Schreibtisch. Grok schlug mit seinem dicken Arm – aber Zia rollte sich geschickt ab und sprang auf die Tischplatte. Yeego brüllte. Seine Faust donnerte auf sie zu – doch Zia hatte bereits das Gras und die Rinde gekaut. Der Luftstoß wirbelte ihr durchs Haar.

​

„Wo ist sie hin?!“ zischte Yeego.

​

Zia, nun winzig klein, rannte über den Tisch und sprang durch das Fenster. Zum Glück wirkte das Wolkengras endlich – Flügel wuchsen ihr aus dem Rücken, und sie glitt durch die Luft.

​

„Macht das Fenster zu!“ kreischte Sarah. „Sie haut ab!“

​

Zia schlug wild mit den Flügeln. Schneller! Das Fenster bewegte sich – gleich würde es zuschlagen! Mit letzter Kraft raste sie hindurch… und in dem Moment knallte das Fenster hinter ihr zu.

​

ChatGPT Image Apr 8, 2025, 08_34_47 AM.png

Kapitel 2

Zia schlenderte ziellos durch den Fae-Wald. Das hier war ihr Zuhause. Sie war zwischen den riesigen Bäumen im hohen Norden aufgewachsen. Kein Mensch hatte je diese geheime Welt betreten — überall rund um den Wald wuchsen kleine, lila Zauberblumen in dichten Büscheln. Für Fae rochen sie wunderbar – wie ein warmes, kuscheliges Kissen. Aber für Menschen? Ekelig. Die Blüten erinnerten sie daran, dass sie vielleicht den Herd angelassen oder die Haustür nicht abgeschlossen hatten.

​

Zia hatte gedacht, dass es schön sein würde, wieder zu Hause zu sein. Stattdessen fühlte sie... nichts. Sie blieb stehen und starrte auf die filigranen Brücken zwischen den riesigen Kiefern. Die waren aus roten Lianen geflochten, die sich wie Seile spannten. Drei ältere Fae-Frauen gingen langsam über eine der Brücken, in Richtung eines Baumhauses. Eine blieb stehen, schaute nach unten auf Zia, dann wandte sie sich an ihre Freundinnen. Zia hörte die Worte nicht genau – aber ihr Herz wurde schwer.

​

„Greenleaf… Tasche… Marraine… wirklich schade…“

​

Seit sie zurückgekommen war – ohne Troll und ohne ihre Tasche – flüsterten die Leute, wo auch immer sie ging. Sprachen sie über ihr Versagen? Oder taten sie ihr nur leid? Dachten sie, Zia würde nie so gut sein wie ihre Mutter? Sie wusste nicht, was schlimmer war.

​

Zwei Wochen waren vergangen, seit sie aus der Berliner Bank entkommen war. Und selbst jetzt, mit etwas Abstand, wusste sie nicht genau, wie sie das geschafft hatte. Ihre Erinnerungen flatterten davon wie Schmetterlinge – jedes Mal, wenn sie sie greifen wollte, waren sie weg.

​

In der Ferne sah sie ein paar leuchtend rote Beeren. Ganz automatisch griff sie nach ihrer Tasche – sie hätte ihren Vorrat an Blitzbeeren gern aufgefüllt. Aber dann seufzte sie. Manchmal vergaß sie, dass sie gar keine Tasche mehr hatte. Ohne fühlte sie sich komisch – wie wenn man aus der Dusche steigt und feststellt, dass kein Handtuch da ist.

„Heeey, Greenleaf!“

​

Zia drehte sich erschrocken um. Hinter ihr stand Martin – ein Junge aus ihrer FSA-Ausbildung. Er war älter, aber sie hatten im selben Jahr ihren Abschluss gemacht.

​

„Was willst du?“ fragte Zia mürrisch.

​

Martin grinste schief. Die beiden mochten sich nicht besonders. Martin konnte es nicht ausstehen, dass Zia bei allen Prüfungen besser war als er. Und Zia hasste, dass Martin dachte, er müsste sich nie anstrengen, um ein Top-Agent zu werden.

​

„Die Marraine will dich sprechen“, sagte er.

​

Wieder dieses Grinsen. Zias Magen zog sich zusammen. Martin zuckte mit den Schultern und drehte sich um.

„Warte mal! Warum will sie mich sehen?“

​

Martin blieb stehen, drehte sich aber nicht um.

​

„Keine Ahnung, Greenleaf. Vielleicht gibt dir die FSA jetzt den Job, Unkraut vor der Schule zu jäten.“

Zia streckte ihm die Zunge raus, aber er war schon verschwunden. Blödmann, dachte sie. Richtiger eingebildeter Blödmann. Trotzdem schlug ihr Herz plötzlich viel schneller. Würde sie aus der FSA geworfen werden?

Seit sie klein war, hatte sie davon geträumt, Agentin zu werden – wie ihre Mutter. Die Beste. Was würde Mama jetzt über mich denken? fragte sie sich, als sie schnellen Schrittes zum Großen Baum lief. Ihre Hände wurden feucht.

​

„Hey Zia! Bist du heute beim Training dabei?“

​

Zia schaute nach links. Eine Mitschülerin aus der Akademie winkte ihr vom Trainingsplatz. Über den Waldboden donnerten riesige, lebendige Buschwesen. Voya duckte sich unter einem der dicken grünen Arme weg, rutschte durch und sprang dem Ding auf den Rücken.

​

Zia winkte zurück, aber fühlte sich peinlich berührtihr war peinlich zumute. Nach meiner gescheiterten Mission – werde ich überhaupt wieder trainieren dürfen?

​

„Nicht heute. Ich hab ein Treffen mit der Marraine.“

​

Voya nickte und kämpfte weiter gegen das Buschmonster. Hinter ihr flogen andere FSA-Agenten und Schüler durch die Luft, boxten, sprangen, rollten, schlugen Purzelbäume. Voya war nett, und Zia mochte ein paar von den anderen. Aber echte Freunde? Hatte sie nie viele gehabt. Training war ihr bester Freund gewesen… bis Sarah aufgetaucht war.

Zia zwang sich, weiterzugehen. Vor ihr ragte das Hauptquartier der FSA auf – der Große Baum.

​

„Komm rein!“

​

Die Marraine wartete bereits im Inneren. Zia aber blieb vor der riesigen Tür aus Eichenholz wie angewurzelt stehen.

„Hör auf, draußen rumzustehen. Ich weiß, dass du da bist, Ziadora Greenleaf.“

​

Zias Herz machte einen Hüpfer. Der Große Baum war der größte im ganzen Wald – hundert Meter hoch, fünfzig Meter breit. Sie schluckte und trat ein.

​

Drinnen war alles warm und hell. Magische Lichter aus Fae-Blumen schwebten durch den Raum. Es roch nach Apfel und Zimt. Normalerweise hätte das Zia beruhigt. Heute drehte sich ihr der Magen um.

​

„Ziadora, setz dich“, sagte die Marraine und zeigte auf einen Sessel aus Moos und weichem Gras.

​

Zia verzog das Gesicht, aber setzte sich. Sie hasste ihren vollen Namen. Nur Mama darf mich so nennen, dachte sie. Ihr war „Zia“ viel lieber. Oder: „Agentin Greenleaf“ – genau wie ihre Mutter.

​

„Deine Mission war ein klarer Fehlschlag“, sagte die Marraine. Ihr Gesicht war uralt, aber ihre Stimme war stark und bestimmt. „Yeego wurde nicht festgenommen. Eine Fae-Tasche istwurde verloren gegangen. Eine Agentin kehrte nicht zurück.“

​

Zia spürte, wie ihr Herz wieder absackte. Sie liebte es, Agentin zu sein. Das war ihr Traum. Und der drohte gerade zu zerplatzen. Am liebsten wäre sie in dem Sessel versunkenhätte sie sich in den Sessel verkrümelt und nie wieder aufgestanden.

​

„Ziadora, sieh mich an!“

​

Zia zwang sich, aufzublicken. Und staunte – die Marraine sah gar nicht wütend aus.

​

„Und doch hat eine Junior-Agentin, gerade mal neun Jahre alt, es geschafft zu entkommen – gegen alle Erwartungen. Sie wurde von ihrer Partnerin verraten und war trotzdem mutig und klug genug, um nicht geschnappt zu werden.“

Zias Herz machte einen Satz.

​

„Also… ich bleibe FSA-Agentin?“ fragte sie vorsichtig.

​

Die Marraine seufzte. Als Chefin der berühmten Fae-Spionage-Agentur war sie eine der mächtigsten Personen in der magischen Welt. Doch jetzt wirkte sie müde.

​

„Ja, Agentin Greenleaf. Jeder macht Fehler“, sagte sie leise. Dann wurde ihr Ton streng: „Aber einer Feindin freiwillig eine Fae-Tasche zu übergeben?! Das darf NIE passieren! Die FSA kämpft gegen dunkle Magie. Wir geben unsere Magie NIEMALS an das Böse weiter!“

​

Zia fühlte sich wie auf einer wilden Achterbahnfahrt.

​

„Es tut mir leid, Marraine. Ich verspreche, es passiert nie wieder.“

​

„Ziadora, eine gute Agentin muss wissen, wem sie vertrauen kann! Und in neun von zehn Fällen ist die Antwort: niemandem!“

​

Jedes Mal, wenn Zia an Sarah dachte, wurde ihr übel. Wie hatte sie nur so blind sein können? Sarah hatte nur so getan, als wäre sie ihre Freundin. Und Zia war voll drauf reingefallen. Sie schluckte ihre Tränen runter und atmete tief durch.

​

„Soll ich Yeego wieder verfolgen? Und… Sarah auch?“

​

Die Marraine schüttelte den Kopf.

​

„Nein, Ziadora. Mit einer Fae-Tasche ist Yeego gefährlicher denn je. Diese Mission übernehmen nun erfahrenere Agenten.“

​

Zia spürte eine Mischung aus Erleichterung… und Scham. Die Marraine beugte sich unter ihren Schreibtisch und holte etwas hervor. Dann trat sie näher. Zia stand sofort auf.

​

„Du bist sehr jung, Ziadora. Vielleicht war deine erste Mission wirklich zu früh. Normalerweise warten wir mit dem Start, bis man elf ist. Aber du hast alle Prüfungen mit Bravour bestanden – was ich von der Tochter unserer besten Agentin auch erwartet hatte.“

​

Zias Knie wurden weich, als sie von ihrer Mutter sprach. Die Marraine hielt ihr eine Tasche hin. Zia zögerte – dann nahm sie sie. Sie fühlte sich leicht an, fast wie ein Blatt. Sie war wunderschön – aus rubinroten und violetten Blättern gefertigt. Ihr Herz machte einen Sprung. Sie kannte diese Tasche.

​

„Sie gehörte deiner Mutter, Ziadora. Man hat sie im Haus gefunden, wo man sie zuletzt gesehen hat“, sagte die Marraine. „Ich denke, sie sollte jetzt dir gehören.“

​

Zias Mutter – die ursprüngliche Agentin Greenleaf – war vor zwei Jahren verschwunden. Auf einer Top-Secret-Mission. Und nie zurückgekehrt. Zia hatte sich frühzeitig an der Akademie beworben, um in ihre Fußstapfen zu treten. Und tief in ihrem Inneren hoffte sie noch immer, ihre Mutter eines Tages zu finden.

​

„Ich habe eine neue Mission für dich – in Leadville, Colorado. Ziadora, du bist die Einzige, die dafür in Frage kommt.“

Zias Kopf drehte sich. Sie hatte Geschichten gehört über die wilde Magie in den Rocky Mountains. Und Leadville, ein winziges Bergstädtchen, war in der magischen Welt ziemlich bekannt.

​

„Warum ich? Was ist so besonders an mir?“

​

„Ziadora, du musst… zurück in die Schule gehen.“

​

„Was?!“ rief Zia. „Aber ich hab doch alle Prüfungen schon bestanden!“

​

Die Marraine lachte.

​

„Die Menschenschule, meine Liebe. Die FSA hat dort verdächtige Magie entdeckt.“
 

Zia sah sie an, als hätte sie nicht richtig gehört. Die Marraine zeigte auf die Tasche ihrer Mutter.

„Geh raus, pflück ein paar Pflanzen. Pack deine Sachen. Morgen früh gehst du in die dritte Klasse.“

​

​

​

​

​

ChatGPT Image Apr 8, 2025, 08_46_53 AM.png

Kapitel 3

Die Schulglocke läutete. Zia drückte ihren Rucksack fest an die Brust, während sie mit den anderen Kindern in einer Reihe ins Klassenzimmer ging. In ihrem Rucksack waren zwei leere Hefte, ein paar Bleistifte… und der grün-violette Beutel ihrer Mutter. Hinter ihr redeten und kicherten die anderen Kinder durcheinander. Zia hörte aufmerksam zu – als Geheimagentin musste sie immer alles mitbekommen.

​

„Okay, Kinder, alle mal hinsetzen!“ sagte eine fröhliche, warme Stimme. „Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende!“

​

Alle stürmten zu ihren Plätzen – nur Zia blieb stehen. Sie warf einen Blick auf ihre Lehrerin. Frau Stevens war groß, mit langen, glänzenden schwarzen Haaren. Um ihren Hals trug sie eine Kette mit einem funkelnden, eisblauen Stein. Wow, dachte Zia. Ihre neue Lehrerin war wunderschön.

​

„Wir haben heute eine neue Schülerin“, sagte Frau Stevens und schaute zu Zia. Obwohl sie eine ausgebildete Spionin war, spürte Zia, wie ihr Gesicht heiß wurde. „Möchtest du dich vorstellen?“

​

Zia schluckte. Alle Augen waren auf sie gerichtet.

​

„Äh… hi. Ich bin Zia. Ich bin… ähm, neu in der Stadt.“

​

„Hallo Zia!“ rief die ganze Klasse im Chor.

​

Frau Stevens lächelte strahlend. Sie zeigte auf einen freien Platz in der letzten Reihe.

​

„Willkommen an der Grundschule von Leadville, Zia. Du sitzt neben Sadie und Wesley.“

​

Zia lief den Gang entlang und setzte sich. Das Mädchen links von ihr grinste sofort.

​

„Zia ist ein cooler Name“, sagte Sadie. „Und ich liebe deine Haare!“

​

Zia fasste sich an den Kopf. Heute Morgen hatte sie ein besonderes Fae-Blatt gekaut – damit konnte sie ihr Aussehen verändern. Für diese Mission hatte sie sich himmelblaue Locken ausgesucht. Sie sah sich um – zum Glück hatten ein paar andere Kinder auch bunte Strähnen.

​

„Oh, danke“, sagte Zia. Sie betrachtete Sadie. Sie hatte dunkelbraune Haut, dunkles Haar und hübsche dunkle Augen. Ihr Gesicht wirkte nett. Zia wollte sich anpassen, aber sie wusste nicht so recht, wie man als normale Neunjährige redet. Sie dachte schnell nach.

„Dein Shirt ist auch echt cool, Sadie.“

​

Sadie strahlte und schaute auf ihr blau-gestreiftes T-Shirt. Zia war erleichtert – Kompliment angekommen. Sie blickte nun nach rechts. Der Junge dort hatte raspelkurze Haare und bernsteinfarbene Augen. Er sah sie gleichzeitig an – und verzog das Gesicht. Irgendetwas an Wesley machte sie nervös. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht.

​

„Bitte holt eure Matheordner raus und macht das Arbeitsblatt von gestern fertig“, sagte Frau Stevens.

​

Sie reichte Zia ein frisches Blatt und klopfte dann leicht auf Wesleys Tisch.

​

„Wesley ist auch neu hier. Er kam vor ein paar Wochen dazu“, sagte sie und blickte zwischen Zia und Wesley hin und her. „Wesley, du warst gestern schon fertig – hilfst du Zia beim Start?“

​

Zia nickte. Mathe war ihre größte Schwäche. Zahlen waren wie glitschige Fische – immer rutschten sie ihr durch die Finger. Vielleicht konnte Wesley ihr ja helfen. Doch stattdessen grummelte er nur und zeigte genervt auf das Blatt, wenn sie Fehler machte.

​

„Weißt du überhaupt, wie man multipliziert?“ fragte er spitz.

​

Seine Stimme war kühl und unfreundlich. Als der Matheunterricht vorbei war, war Zia ziemlich schlecht gelaunt. Warum mochte Wesley sie nicht? Sie sah sich im Raum um – Mathe schien auch anderen schwerzufallen. Drei Kinder waren sogar auf ihren Tischen eingeschlafen! Aber nur Wesley ließ bei ihr dieses merkwürdige Gefühl zurück.

​

Die Glocke klingelte.

​

„Zia, kannst du bitte kurz bleiben?“ fragte Frau Stevens.

​

Zia wartete an der Tür, während die Klasse hinausströmte. Sadie zeigte ihr einen Daumen hoch, dann war sie verschwunden.

„Wie geht’s dir am ersten Tag?“ fragte Frau Stevens und beugte sich ein wenig hinunter, damit sie Zia auf Augenhöhe anschauen konnte.

​

„Ähm… ganz okay“, sagte Zia und versuchte, wie ein normales Drittklässlerkind zu klingen – und nicht wie eine Geheimagentin. „Ich glaub, ich muss mich einfach noch an alles gewöhnen.“

​

„Ich weiß, wie schwer es ist, die Schule zu wechseln. Ich musste das als Kind ein paar Mal machen“, sagte Frau Stevens. Ihre smaragdgrünen Augen waren voll Freundlichkeit. Sie rieb kurz über den blauen Stein an ihrer Kette. „Zia, ich bin für dich da. Wenn du jemals Fragen hast oder Hilfe brauchst – sprich mich einfach an, ja?“

​

Zia lächelte schüchtern. Frau Stevens war wirklich nett.

​

„Danke, das mach ich.“

​

„Du bist ein ganz besonderes Mädchen, Zia.“

​

Frau Stevens legte kurz die Hand auf Zias Schulter. Zia spürte, wie ihr die Augen zufielen. Die schweren Matheaufgaben und Wesleys komische Art hatten sie erschöpft. Und dann war sie ja auch die ganze Nacht aus dem Fae-Wald bis nach Leadville gereist. Sie brauchte dringend was zu essen. Und Schlaf.

​

„Los, ab in die Kantine. Du bist bestimmt hungrig“, sagte Frau Stevens freundlich.

​

Kaum betrat Zia die Mensa, winkte Sadie ihr zu. Sie saß ganz allein. Zia schnappte sich ein Tablett und setzte sich neben sie. Es tat gut, jemanden zu haben. Zia kannte das Gefühl, alleine zu sein. Sie liebte ihr Fae-Volk, aber weil sie so viel trainierte, hatte sie kaum Zeit für Freundschaften gehabt. Außer mit Sarah, dachte sie bitter.

​

„Was wollte Frau Stevens von dir?“ fragte Sadie mit vollem Mund.

​

Zia starrte auf die dampfende Schüssel mit Chili. Sie musste sich zusammenreißen, bevor sie antwortete – sie hätte am liebsten gleich losgelöffelt.

​

„Sie war einfach nett. Hat gesagt, ich kann immer zu ihr kommen, wenn ich was brauche“, sagte Zia.

​

Endlich probierte sie das Chili. Es war heiß wie Lava – aber sooo lecker! Zia hätte es den anderen Fae gegenüber niemals zugegeben, aber… sie liebte Menschenessen! Käse, Kekse, Kuchen, Schokolade – einfach alles!

​

„Frau Stevens ist echt toll“, meinte Sadie. Sie wirkte allerdings nicht so begeistert vom Chili. Zia fragte sich, ob es komisch wäre, Sadies Reste aufzuessen. „Sie redet jede Woche mit jedem Schüler einzeln. Einfach um zu fragen, wie’s uns geht. Kein anderer Lehrer macht das!“

​

Die Glocke ertönte. Zia schlürfte das Chili in Rekordtempo weg. Sadie schaute sie mit großen Augen an und schob ihr ihre eigene Schüssel rüber. Zia grinste und löffelte auch die leer. In dem Moment kam Wesley vorbei. Er warf ihr einen finsteren Blick zu. Sadie brachte die leeren Schüsseln zurück zum Tresen.

​

Wesley blieb stehen. Niemand sonst war in der Nähe. Dann sagte er ganz leise – so leise, dass nur Zia es hörte:

​

„Ich warne dich – bleib mir aus dem Weg, Fee!“

Jetzt kostenlos lesen mit Kindle Unlimited!   Oder...
Sonderangebot zur Veröffentlichung – Jetzt kaufen!
Nur 2,69 € für die zweisprachige Ausgabe oder 0,99 € für die deutschsprachige Version.

  • Instagram
  • Facebook
  • TikTok
20250408_1447_Book Reservation Sign_remix_01jrbjhgjhezcvccpdh4bsbgcf.png
bottom of page